Samstag, 29. März 2014

So weit von der Wirklichkeit ist das gar nicht entfernt...

... sagte Ernst-Wilhelm Händler und meinte damit die technischen Entwicklungen, die mit dem eigentlichen Firmenzweck gar nichts zu tun haben. Das war neu. So etwas wusste ich nicht, aber nachdem Händler es sagte erschien es logisch. 
In einer Firma werden neben der normalen Produktion noch heimlich kleine Roboter entwickelt. S-Bots, intelligente Maschinen, die durch Zusammenarbeit anspruchsvollere Arbeiten verrichten können. Aber dies geschieht nicht nur neben der normalen Produktion, sondern vollständig im Geheimen. Wer dem Ingenieur und Ich-Erzähler im Weg steht, bekommt die Konsequenzen zu spüren. So auch seine Ehefrau, sein Ziehsohn und seine Tochter.
Als wir den Gasthof Grimming betreten, sitzen Ernst-Wilhelm Händler und Manfred Mittermayer bereits auf der Bühne. Mittermayer beginnt mit einer Einführung, eloquent wie immer, mir war's zu lange. Ich will das Buch hören. Ich bin gespannt.
Händler beginnt zu lesen, man merkt, dass er Unternehmer ist, seine Stimme ist sachlich, ruhig. Aber das stört gar nicht. Ich finde, es passt. Vom Inhalt bin ich gefesselt, ich will das Buch haben, kann es nicht erwarten, bis ich es kaufen kann und doch will ich nicht, dass die Lesung endet. Die Lesung ist aus, das Gespräch ebenfalls, ich laufe in das Haus gegenüber und schnappe mir Der Überlebende. Kurzer Blick nach rechts, dort liegt das Buch von Tanja Maljartschuk, was solls, ich nehme es auch noch mit. Es wird mir sowieso gefallen. Ihr Text im SALZ gefiel mir ebensogut, wie die Inhaltsangabe von Biographie eines zufälligen Wunders.
Wieder im Gasthof zeige ich meine Ausbeute her, ich traue mich nicht alleine zu Händler, um ihn zu fragen, ob er es mir signiert. Ich will ihn ja nicht stören. Aber wann habe ich schon mal die Chance. Also los. Er signiert es mir mit seinem eigenen Kugelschreiber. Sogar der erinnert an einen Unternehmer. Genau wie seine Schrift. Alles ist stimmig. Ich bin glücklich.




Überall wo man lachen kann, kann man auch weinen



„Man kann eine Geschichte so erzählen, dass alle weinen
und man kann dieselbe Geschichte so erzählen, dass alle lachen müssen.“

Ja, dieses Zitat trifft es wohl genau, denn die junge Ukrainerin lässt uns herzhaft lachen  und rührt uns gleichzeitig zu Tränen. Tanja entschuldigt sich für ihr Deutsch, denn „es ist erst drei Jahre alt“, sagt sie zu Beginn ihrer Lesung. Mit diesem Satz bricht sie das Eis und wir warten gespannt darauf, was kommt. Sie könne nicht mehr als Journalistin in Kiew arbeiten, denn sie „glaube nicht an objektive Wahrheit (...)[sie] will lügen“ und dazu gibt ihr die Literatur die Möglichkeit. Tanja liest aus ihrem Roman Biografie eines zufälligen Wunders, in dem sich die kämpferische Protagonistin Lena, in ihrer Heimatstadt San Francisco in der Ukraine gegen Gewalt und Machtmissbrauch zur Wehr setzt. „In diesem Roman ist es so, dass man nur an Wunder glauben kann.“ Tanja liest und wir lachen und sie lacht und gesteht uns, dass es ihr sehr gut tue, nach vier Monaten bangen und weinen um ihre Heimat, endlich mal einfach wieder zu lachen. Als sie aus der Ukraine nach Wien floh, hatte sie keine Hoffnung mehr für das Land. Jetzt hat sie neue Hoffnung. „Jetzt kann ich sagen, dass ich stolz bin, Ukrainerin zu sein.“

 
Quelle: www.rauriser-literaturtage.at

Freitag, 28. März 2014

Vollblind

Die Förderungspreisträgerin betritt die Bühne. Zuvor kam ihre Laudatio, nachzulesen im SALZ. Renate Aichinger schreibt in ihrem Text amaurose über Einsamkeit, den Verlust des Ichs, durch den Verlust des Wirs, den Verlust des Vaters. Die Einsamkeit, ohne alleine zu sein. Wie man still und heimlich die Einsamkeit in das alltägliche Leben integriert, bis sie einem, genauso still und heimlich, genau das nimmt. Das Leben.
Es geht um das Suchen nach sich selbst und gleichzeit um eine Flucht vor Teilen, die unser Selbst auch bestimmen. Das Negative wird ausgeblendet. Auf Facebook zum Beispiel. Da gibt es den Vater nicht, zumindest nicht so. Nicht alkoholkrank. Da ist alles gut.
Doch kann man sich zu diesem Wir zählen? Oder kann einem ein soziales Netzwerk doch nicht alles geben? Die Protagonistin erinnert sich an den Gesang der Großmutter. Nicht perfekt, aber herzerwärmend. Eine Wärme die ihr fehlt. Das Fehlen, das ihren Vater umgebracht hat.
Wieso gibt es diese Wärme nicht mehr? Weil wir an Blindheit leiden. Nicht wirklich, wir sehen genug. Aber wir wollen nicht sehen. Wir haben genug zu tun. Wir haben die Augen so oft geschlossen, dass wir mit offenen Augen auch nichts mehr sehen. Nichts mehr sehen wollen. Soziale, gemeinschaftliche vollständige Erblindung. Amaurose.
Durch den Schreibstil von Renate Aichinger wird noch deutlicher, wie unsicher die Protagonistin ist. Wörter brechen weg, genau so wie ihre Sicherheiten wegbrechen.
Renate Aichinger öffnet uns die Augen für unsere Blindheit. Wir haben eine Chance ihr zu entkommen. Nutzen wir sie.

Bergluft



Reitzer Angelika
war als nächste da.
Bevor sie das Schreiben probierte,
sie an der Uni Salzburg studierte.
Nun traf sie auf ihre frühere Professorin,
Frau Prof. Gürtler, ihre Moderatorin.
Sie präsentierte ihr neues Buch
„Wir Erben“ und den damit verbundenen Generationenfluch.
Im Anschluss kamen einige Fragen,
sie wusste immer etwas darauf zu sagen.
Es ging um Kapitalismus und Politik,
Angelika antwortete mit viel Geschick.

Nun wurde es international
und die Schweizerin Marie-Jeanne Urech faszinierte uns verbal.
aus dem Französischen las Ines Schütz die Übersetzung,
Gott sei Dank - das war unsere Rettung.

Dann ging uns der Sauerstoff aus
und wir mussten so schnell wie möglich raus.
Ab in die Gondel und nach Hause,
dank des Sauerstoffflashs war das dann eine lustige Sause.