Die Förderungspreisträgerin betritt die Bühne. Zuvor kam ihre Laudatio, nachzulesen im SALZ. Renate Aichinger schreibt in ihrem Text amaurose über Einsamkeit, den Verlust des Ichs, durch den Verlust des Wirs, den Verlust des Vaters. Die Einsamkeit, ohne alleine zu sein. Wie man still und heimlich die Einsamkeit in das alltägliche Leben integriert, bis sie einem, genauso still und heimlich, genau das nimmt. Das Leben.
Es geht um das Suchen nach sich selbst und gleichzeit um eine Flucht vor Teilen, die unser Selbst auch bestimmen. Das Negative wird ausgeblendet. Auf Facebook zum Beispiel. Da gibt es den Vater nicht, zumindest nicht so. Nicht alkoholkrank. Da ist alles gut.
Doch kann man sich zu diesem Wir zählen? Oder kann einem ein soziales Netzwerk doch nicht alles geben? Die Protagonistin erinnert sich an den Gesang der Großmutter. Nicht perfekt, aber herzerwärmend. Eine Wärme die ihr fehlt. Das Fehlen, das ihren Vater umgebracht hat.
Wieso gibt es diese Wärme nicht mehr? Weil wir an Blindheit leiden. Nicht wirklich, wir sehen genug. Aber wir wollen nicht sehen. Wir haben genug zu tun. Wir haben die Augen so oft geschlossen, dass wir mit offenen Augen auch nichts mehr sehen. Nichts mehr sehen wollen. Soziale, gemeinschaftliche vollständige Erblindung. Amaurose.
Durch den Schreibstil von Renate Aichinger wird noch deutlicher, wie unsicher die Protagonistin ist. Wörter brechen weg, genau so wie ihre Sicherheiten wegbrechen.
Renate Aichinger öffnet uns die Augen für unsere Blindheit. Wir haben eine Chance ihr zu entkommen. Nutzen wir sie.
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