Selbstbewussten Schrittes betritt Peter
Kurzeck als erster der drei vorgesehenen Autoren die Bühne, um aus seinem
autobiographischem Großepos „Das alte Jahrhundert“, an welchem er seit den 90er
Jahren arbeitet, zu lesen. Mittlerweile Band 6 mit dem Titel „Bis er kommt“
erschienen, formt seine angenehme Stimme poetische Worte, die nicht nur das
Publikum im Grimming, sondern auch - mit Hilfe der Videoübertragung - im
Platzwirt, in tiefe Erinnerungen proust´schen Ausmaßes schwelgen lassen. Wie
erinnern wir uns, was sind Erinnerungen tatsächlich und warum glaubt ein Kind
das Lachen der Tiere zu hören? Streifen wir durch die Wälder und blicken den
Zügen am Bahnhof nach, so lange, bis sie endgültig mit dem Horizont
verschmelzen, doch hüten wir uns davor, ihn zu verpassen, sollten wir die Ferne
der Welt bereisen wollen, denn dieser Zeit, sollten es auch nur kurze Minuten
sein, werden wir unser Leben lang hinterher hinken.
Den zweiten, auflockernden Teil bestreitet die
deutsche Radiojournalistin Marion Brasch, die aus ihrem Familienroman „Ab jetzt
ist Ruhe“ liest. Im witzigen, ironischen Ton passt sich ihre Stimme den Figuren
an und lässt den eigenwilligen Geist der DDR im österreichischen Bergort
aufleben.
Eine Familiensippe, von Beginn an dem
Untergang geweiht, Dramatik, Alkohol, Exzesse- die Manns der DDR. Von Söhnen, die gegen den dominanten Vater rebellieren, der eines nicht verlieren will: das Land, welches er mit aufgebaut hat; die sich in der Bohéme und dem Intellekt der Jugend verstricken und die sterbenden Eltern schon lange verlassen haben.
Von einer kleinen Schwester, die noch versucht das zu retten, was bereits vor ihrer Zeit zerstört wurde. Und vom Rat, dann abzuschließen, wenn endgültig Ruhe einkehren sollte.
„Die wahren Helden sind Sie“, so Michael
Köhlmeier beim Betreten der Bühne an das Publikum, „wenn man die Uhrzeit
beachtet!“
In seinem Roman „Die Abenteuer des Joel
Spazierer“ begleitet Köhlmeier die Figur eines modernen Simplicissimus der
ungarischen Nachkriegszeit, ohne Gefühl für Recht und Unrecht, dem gerade
dadurch vergeben wird, weil er nicht um Verzeihung bittet. Mit seiner
einzigartigen Wortgewandtheit lässt er seinen Figuren den Raum, selbst zu
sprechen und zu handeln, sich frei zu entwickeln und ganz nach eigenem Ermessen
die Zuckerdose auszulöffeln. Begleiten wir Joel Spazierer durch die Odyssee
seines lügenhaften, mörderischen Lebens, empfinden wir Mitleid mit einem
Schelm, der keiner sein will, und begeben wir uns auf die Spuren barocker und
zeitgenössischer Literatur, die köhlmeieresk eine Brücke dazwischen findet.
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